Schienenwechsel binnen weniger Stunden, Schwellentausch in kürzester Zeit – auf japanischen Hochgeschwindigkeitsstrecken sind Betriebspausen nur kurz. Streckensperrungen für Instandhaltungsarbeiten gibt es nicht. Das stellt besonders hohe Anforderungen an die eingesetzten Kräfte, ihre Maschinen und deren Konstrukteure.
Japan ist ein Paradebeispiel für Schnelligkeit und Präzision im Eisenbahnverkehr. Nirgendwo auf der Welt wird im Rad-Schiene-System so konsequent schnell und pünktlich gefahren. Zwischen 6 und 24 Uhr werden täglich am Tōhoku-Shinkansen durchschnittlich 270.000 Personen befördert. Eine ähnliche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wird auch für die Wartungsarbeiten an der Infrastruktur vorausgesetzt. Für die Wartung der Strecke ist ein Zeitfenster von 24 bis 5 Uhr eingeplant. Aufgrund der teils langen Anfahrtszeiten der Wartungsfahrzeuge steht für das Schienenwechseln effektiv nur ein Zeitfenster von 150 Minuten zur Verfügung.
Bevor der erste Schnellzug in Betrieb geht, wird die gesamte Strecke von sogenannten Inspektionsfahrzeugen abgetastet, welche die Strecke nach liegen gebliebenen Werkzeugen oder anderen Dingen, die nicht dorthin gehören, absuchen. Langsamfahrstellen und Geschwindigkeitsbeschränkungen sind keine Option am Shinkansen. Perfektion nach Plan, auch bei der Instandhaltung, bei Schienenwechsel oder Schwellentausch.
Gefragt sind beste Planung und eine hervorragende technologische Umsetzung. Ende 2016 hat Plasser & Theurer nach zweijähriger Entwicklungs- und Bauzeit in Kooperation mit der lokalen Partnerfirma Nippon Plasser und ROBEL Bahnbaumaschinen GmbH (Freilassing/D) das Schienenwechselsystem REX-S 1200 geliefert. Es ist eine bislang einmalige Kombination für Schienentransport, -ablage und -verschweißung. Da ein kompletter Schienentausch in der knappen Arbeitszeit nicht möglich ist, werden zunächst 150 m lange Schienenstücke vorgelagert und die mobile Abbrennstumpfschweißmaschine APT 1500 RA beginnt mit deren Verschweißen auf bis zu zwei mal 1.200 m Länge. Die Schienen werden zudem geschliffen und fixiert. Der Tausch von Alt- gegen Neumaterial durch zwei spezielle Auskreuzwagen des REX-S binnen 30 Minuten und das Verbinden der Anschlüsse unter Vorspannung – wiederum mit dem Schweißroboter der APT 1500 RA – sind in einer zweiten Nachtpause erledigt.
Aktuell werden zum ersten Mal seit Inbetriebnahme des Tōhoku-Shinkansen der East Japan Railway Company (JR East) im Juni 1982 die Schienen getauscht. Die Arbeiten begannen im Februar 2017 und werden voraussichtlich bis 2026 dauern. Mit dem REX-S stieg die Länge der nächtlich zu verbauenden Schienen auf das Vierfache, zugleich verringerte sich die Schweißzeit pro Stoß von rund 40 auf etwa sechs Minuten.
Der eigens zusammengestellte REX-S-Maschinenverband auf 1.435 mm Normalspur besteht aus einem Zugfahrzeug, einem ebenfalls modifizierten Schienenlade- und -entladezug (ROBEL SILAD) für 20 bis zu 150 m lange Langschienen, zwei Rutschen- und Auskreuzwagen sowie einer Schweißmaschine APT 1500 RA in Leichtbauweise. Den Einsatzort erreichen alle Maschinen gemeinsam. Ihren Dimensionen waren konstruktive Grenzen gesetzt: Die REX-S-Gesamtlänge durfte wegen der Stellplätze in den Depots 230 m nicht überschreiten. Die Radsatzlast ist auf 15 t begrenzt und der Drehzapfenabstand auf maximal 14,4 m.
Eine zweite APT 1500 RA hat Plasser & Theurer für Schmalspurstrecken des Landes (1.067 mm) 2015 an JR Kyushu ausgeliefert. Hier sind die zeitlichen Anforderungen nicht so extrem wie bei JR East auf Shinkansen-Gleisen, die technologischen jedoch ähnlich. Bevor die für Japan neuartige Methode des elektrischen Abbrennstumpfschweißens eingeführt werden konnte, waren umfangreiche Qualitätsnachweise zu liefern. Zwar wird in Japan traditionell ebenfalls stumpf durch Aneinanderpressen erwärmter Schienenenden geschweißt, doch wurden bisher Gasbrenner verwendet. Dabei ist die kritische Wärmeeinflusszone in den Schienen ungleich größer. Schweißtechnische Vorversuche zum Nachweis des kontinuierlich hohen Qualitätsniveaus beim Abbrennstumpfschweißen wurden mit eigens aus Japan angelieferten Schienen in Österreich durchgeführt. Das japanische Railway Technical Research Institute (RTRI) überprüfte die Resultate. Ein zweiter Nachweis betraf das Verspannungsschweißen, das beim Schienentausch erforderlich ist. Dafür wurde in unserem Werk eigens ein Prüfstand aufgebaut.
Bei JR East werden die Schienen gewechselt, bei JR West sind Schwellen zu tauschen. Plasser & Theurer lieferte dafür 2015 eine spezielle Einheit nach Japan. Das kontinuierlich arbeitende Schwellenwechselsystem SES 170 wechselt im 20-Sekunden-Takt alte gegen neue Schwellen, ohne die Schienen zu spreizen oder aufzuschneiden. Zuerst werden – nach Vorarbeiten wie dem Lösen der Schienenbefestigungen – die Schottersteine abgesaugt, dann die Altschwellen unter den Schienen gedreht und entnommen. Vor dem Einbau der neuen Schwellen wird das Schotterplanum geebnet. Problem: Diese sind deutlich größer und schwerer als in Europa übliche und liegen in engem Abstand, zudem gibt es zwei Typen – mit und ohne Kabeldurchführung. Eine Portalanlage auf dem SES 170 schafft Neumaterial herbei und alte Schwellen zur Ablage. Auf der Maschine befinden sich nahe dem Einbauort daher drei Schwellentische. Dem SES, das den aufgesaugten Schotter auch gezielt wieder abgibt, folgen eine Stopf- und eine Schotterplaniermaschine zur Finalisierung des Gleises.