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Gastkommentar

Die Zukunft liegt auf Schienen

Ob Straßenbahn im klassischen Sinn oder Stadtbahnen, die manche Eigenschaften von U-Bahnen mit jenen von Straßenbahnen verbinden, die Zukunft des städtischen Verkehrs liegt auf der Schiene. Sind U-Bahnsysteme in der Errichtung und im Betrieb mit enormen Kosten verbunden, können Straßenbahnsysteme vergleichsweise günstig errichtet und ins Stadtbild integriert werden.




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Gastkommentar
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Norbert Ostermann, Vorstand Institut für Verkehrswissen­schaften, TU Wien

Forschungsinitiative für leisere Schienen

Aufgrund der wachsenden Bedeutung dieser Verkehrssysteme hat die TU Wien gemeinsam mit Plasser & Theurer und den Wiener Linien ein Projektteam gebildet, das sich im Rahmen der Forschungsinitiative Shift2Rail zum Ziel gesetzt hat, die weltweite Marktstellung des Systems Straßenbahn zu beleuchten und Herausforderungen samt Lösungsansätzen für die künftige erfolgreiche Entwicklung dieser Systeme herauszuarbeiten.

Bei Betrachtung der Marktentwicklung der letzten Jahre fällt auf, dass vor allem aufstrebende Wirtschaftsmächte wie die Türkei oder China zahlreiche solcher Systeme errichten. Doch auch in den US-Metropolen – einst Hochburgen der Straßenbahn – ist wieder ein Umdenken vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr zu beobachten. Seit der Jahrtausendwende wurden dort 17 neue Straßenbahn- und Stadtbahnsysteme eröffnet.

Bei solch einer rasanten Entwicklung ist es unerlässlich, die stets wachsenden Anforderungen hinsichtlich Umwelt und Qualitäten urbaner Räume im Auge zu behalten. Besonders Schall- und Erschütterungsemissionen, denen – nicht zuletzt durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Nachweise über ihre gesundheitsschädigende Wirkung auf den menschlichen Körper – seitens der öffentlichen Hand immer mehr Aufmerksamkeit zukommen, stellen Betreiber urbaner Schienennetze vor große Herausforderungen.

Eine im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführte Umfrage unter Netzbetreibern aus aller Welt zeigt, dass diese Art der Emissionen für die Mehrheit der Betreiber ein aktuelles Problemfeld darstellt. Dabei kann auf Beschwerden und Überschreitungen gesetzlicher Grenzwerte oft nur mittels betrieblicher Einschränkungen oder Instandhaltungsmaßnahmen reagiert werden. Gerade bei immer steigenden Anforderungen des Gesetzgebers – innerhalb der EU sind Mitgliedstaaten durch die Umgebungslärmrichtlinie dazu verpflichtet, systematisch Lärmkarten und Maßnahmenpläne zur Reduzierung der Lärmbelastung zu erarbeiten – ist es aus Betreibersicht unerlässlich, aktiv zu werden und Wege zu finden, Emissionen unterhalb jeglicher Grenzwerte zu halten.

Für die Schwingungsanregung zwischen Rad und Schiene ist das Zusammenwirken von Schienen- und Radrauheit ausschlaggebend. Die Radrauheit lässt sich durch regelmäßiges Abdrehen der Radreifen recht gut beeinflussen, jedoch erfordert auch die Schiene regelmäßige Pflege. Hier ist in erster Linie das Schienenschleifen zu nennen. Dieses wird bisher meist reaktiv eingesetzt, um bestehende Schäden oder Profilfehler an Schienen zu beheben. Zum präventiven, akustischen Schienenschleifen fehlen derzeit aufgrund der Besonderheiten urbaner Schienennetze schlichtweg leistungsfähige Technologien. Doch daran wird gearbeitet, nicht zuletzt im Rahmen von Shift2Rail. Denn urbanen Schienennetzen gehört die Zukunft, jedoch nur, wenn sie intensiv gepflegt werden!

Die Straßenbahn

war gegen Ende des 19. Jahrhunderts das erste taugliche Massenverkehrsmittel in engen, gewachsenen Stadtstrukturen. Elektrisch angetrieben, um große Mengen an Personen befördern zu können, gab sie den Metropolen weltweit einen Aufschwung und die Möglichkeit, sich bei guter Erreichbarkeit räumlich auszudehnen. Doch der Siegeszug des nächsten Verkehrssystems ließ nicht lange auf sich warten – das Automobil als individuell verfügbares Verkehrsmittel und Errungenschaft des 20. Jahrhunderts drängte die Straßenbahn zusehends aus den Städten. In Buenos Aires, „City of Trams“ mit dem einst 875 km umfassenden, längsten Straßenbahnnetz der Welt, fuhr 1963 die letzte Straßenbahn. In den USA wurden Straßenbahnnetze sogar von General Motors aufgekauft und zugunsten des Autoverkehrs systematisch eingestellt.

Doch auch die „autogerechte Stadt“, das der Euphorie um das Automobil geschuldete städtebauliche Leitbild der 1950er-Jahre, zeigte bald seine Schwächen. Verlassene Stadtzentren erzeugten Unsicherheit und Unwohlsein. Die Paradigmen der Stadtplanung begannen sich zu ändern, der Mensch und sein Lebensraum sollten wieder im Vordergrund stehen. Die Lösung für diese Probleme bot im Grunde abermals die Straßenbahn – in verschiedenen Ausprägungen.

Bilder: © Wiener Linien/Johannes Zinner

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