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​Auf dem Weg zur Klimaneutralität haben sich die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zum Ziel gesetzt, durch Produkte und Dienstleistungen verursachte Umweltwirkungen in den Beschaffungsprozess zu integrieren. Das hier vorgestellte Modell, das von der ÖBB Beschaffung mit Unterstützung der TU Graz erarbeitet wurde, ermöglicht die spezifische Berechnung der verursachten Umweltwirkungen von Produktion, Errichtung, Nutzungsphase und (Wieder-)Verwertung von Produkten und Dienstleistungen.

Dipl.-Ing. (FH) Sven Schirmer
Corporate Procurement Coordinator und Experte für Dekarbonisierung, ÖBB-Holding AG

Diese Umweltwirkungen können monetarisiert und damit in die Total Cost of Ownership (TCO) integriert werden, wodurch sie direkten Eingang in den Beschaffungsprozess finden. Die entwickelte Methodik erlaubt es branchenübergreifend, vom Einzelunternehmen über das KMU bis zum Großkonzern, die nachhaltige Betrachtung in die Lebenszyklusbetrachtung zu integrieren. Damit kann sich jedes Unternehmen fit machen für die steigenden Anforderungen von Seiten der Gesetzgebung ebenso wie von den Auftraggebern.

Als Unternehmen steht man aktuell den verschiedensten Herausforderungen gegenüber. Nachhaltigkeit ist ein Wirtschaftsfaktor [1]. Diese Tatsache und aktuelle Forderungen der Politik haben den strategischen Konzern­einkauf der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 2020 zu einer Erweiterung des bestehenden TCO-Modells (Total Cost of Ownership) bewegt. Neben den reinen Einmalkosten, den Errichtungskosten und laufenden Kosten wurde es um die durch Umweltwirkungen verursachten Kosten erweitert.

Eine Herausforderung für die ÖBB war es, die Anwendbarkeit für alle Warengruppen sicherzustellen. Ob es um den Kauf von Laptops oder die Errichtung von Infrastruktur geht: Jedes Beschaffungsvorhaben sollte nutzerfreundlich durchführbar sein und gleichzeitig der Aufwand für Auftraggeber und Auftragnehmer überschaubar bleiben.

Alle denkbaren und bekannten Einflussfaktoren wurden in der Modellentwicklung von Anfang an berücksichtigt, um ein für alle nutzbares ökologisches Bewertungsmodell zu entwickeln.

Die 4 Phasen des TCO-CO₂-Modells

Das TCO-CO2-Modell

Das ÖBB-Modell benötigt für eine derart detailliert gewünschte Berechnung, die eine vergleichbare Bewertung der unterschiedlichen Gebote verschiedener Lieferanten zulässt, entsprechende Eingangsdaten aus Zertifikaten oder durch Primärdaten. Diese erfordern eine bestimmte Detailtiefe, um den Lebenszyklus in der notwendigen Qualität abzubilden. Die ÖBB haben sich auf Treibhausgasemissionen in Form von CO2-Äquivalenten (CO2e) nach definierten Regularien [2] entschieden. Im Gegensatz zu anderen Umweltfaktoren liegen diese bereits jetzt weltweit ausreichend vor, sind transparent, objektiv und vergleichbar. Das entwickelte Modell deckt alle Phasen ab, wie in Bild 1 zu sehen ist.

Das Modell verlangt vergleichbare Eingangsdaten, nämlich die Materialien und Prozesse, um auf Basis vorhandener Emissionsfaktoren die Emissionen je Phase berechnen zu können. Diese Daten umfassen Transportprozesse, bei denen Zwischenprodukte oder finale Produkte von A nach B transportiert werden, Nutzungsprozesse der Anwendungsphase sowie die Verarbeitungsprozesse, bei denen unter Energieverbrauch aus Eingangsmaterialien ein Zwischen- oder Endprodukt entsteht oder (auf-)gebaut wird. In all diesen Schritten kann CO2 direkt oder indirekt (durch den Energieverbrauch) entstehen und wird in der Stoffflussbilanz dargestellt. Bild 2 zeigt dies schematisch am Beispiel des Lebenszyklus eines Laptops.

Das vorliegende TCO-CO2-Modell kann sowohl von privaten als auch von öffentlichen Auftraggebern genutzt werden. Alle Erfordernisse wurden berücksichtigt, unter anderem die notwendige Transparenz in der Berechnung wie auch das Nutzen frei verfügbarer Emissionsfaktoren. Dazu werden insbesondere die öffentlich zugänglichen Daten der Umweltbundesämter Österreichs [3, 4] und vor allem Deutschlands [5] verwendet. Ein positiver Nebeneffekt ist die kostenfreie Nutzung dieser wissenschaftlichen Datensätze.

Vom Auftraggeber sind neben den Standard-Emissionsfaktoren für Prozesse und Materialien ebenso Informationen bereitzustellen, die wir als Parameter der LCC-Betrachtung bezeichnen. Darunter fallen die genaue Beschreibung des zu betrachtenden Produktes bzw. der Dienstleistung, der Anlieferort für die Berechnung der Transportkosten und -emissionen, gewünschte Arbeiten (z. B. Aufbau) vor Ort, die Nutzungsangaben (z. B. wie viele Stunden pro Jahr und unter welchen Bedingungen wird ein Gerät genutzt werden) und schließlich die gewünschte Behandlung zum Lebensende.

Ein weiterer Mehrwert für Anwender des TCO-CO2-Tools: Verschiedene Szenarien der Produktentstehung oder Dienstleistungsabwicklung sind durchspielbar, um Strategien für die eigene Weiterentwicklung ableiten zu können, z. B. Transportmittel ändern, Material austauschen, Energieversorger wechseln etc. Der Kosten-Nutzen-Vergleich ist somit auch unter ökologischen Gesichtspunkten machbar.

Literatur

[1] zukunftsInstitut; https://www.zukunftsinstitut.d...
[2] United Nations Framework Convention on Climate Change, Kyoto Protocol on accounting of emissions and assigned amount, 2008
[3] Umweltbundesamt Österreich; https://www.umweltbundesamt.at...
[4] Umweltbundesamt Österreich; GEMIS Globales Emissions-Modell integrierter Systeme – Österreich, Version 4.9
[5] Umweltbundesamt Deutschland, ProBas: Prozessorientierte Basisdaten für Umweltmanagementsysteme, https://www.probas.umweltbunde...

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