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Die Geburt des digitalen Zwillings

PredictiveTrackView 

Datenquellen wie Kameras, Georadar, LiDAR und viele andere liefern eine unendliche Fülle an Informationen über die verschiedenen Elemente der Bahninfrastruktur. Building-Information-Modeling-Systeme (BIM) helfen, der Datenflut nicht nur Herr zu werden, sondern daraus auch gezielte Maßnahmen abzuleiten.

Bereits im Alltag etabliert, steuert BIM schon in vielen Sektoren der Baubranche das Infra­strukturmanagement maßgeblich. Jetzt beginnt es auch in der Gleisbauwelt Fuß zu fassen. Plasser & Theurer arbeitet mit dem Forschungsprojekt PredictiveTrackView an einem Baustein für die praxistaugliche Implementierung von BIM im Bereich der Gleisbauplanung und Instandhaltung.

Im Vorfeld von Baumaßnahmen sind Gleisbegehungen von großer Bedeutung. Sie liefern einen beträchtlichen Teil der für den sicheren Bauablauf essenziellen Planungsdaten. Die zu ermittelnden Informationen umfassen den Abgleich des Ist-Zustands mit existierenden Plänen, die Identifikation von möglichen Gefahren und Problemstellen, Zugangspunkte für Personal, Versorgung und Logistik und vieles mehr. Besonders bei größeren Projekten, die sich nicht selten über hunderte Kilometer erstrecken, ist der Zeit-, Geld- und Arbeitsaufwand für solche Gleisbegehungen jedoch enorm.

Die Digitalisierung bietet enormes Einsparungspotenzial. Sie ermöglicht eine höhere Qualität und Lebensdauer des Fahrwegs bei gleichzeitig geringerem Einsatz von Zeit und Ressourcen


Mehr als eine virtuelle Gleisbegehung

PredictiveTrackView ist ein Tool, das alle verfügbaren Daten zum Fahrweg und dessen Umgebung bündelt, analysiert und übersichtlich darstellt. Die Gleisbegehung verlagert sich so in den virtuellen Raum, Sicherheitsmaßnahmen sind überflüssig, man spart Zeit und Geld. Die Anwendungsmöglichkeiten gehen jedoch weit über eine virtuelle Gleisbegehung hinaus. Der digitale Zwilling ebnet den Weg für eine komplett neue Dimension der Instandhaltungsplanung.

Gehen Sie noch oder BIMen Sie schon?

Wenn man an die Möglichkeiten denkt, die Digitalisierung eröffnet, mutet eine Gleisbegehung zu Fuß mit Maßband, Stift und Papier altmodisch an. In einem BIM-System wird ein digitaler Zwilling des physischen Fahrwegs angelegt, der alle relevanten Informationen enthält. Dazu gehören neben einem 3D-Modell mit den geometrischen Daten und physischen Attributen auch weitere Dimensionen wie Zeit, Kosten und Beanspruchung. Die Informationen unterliegen zudem einem kontinuierlichen Abgleich mit der Realität. Bequem mit einem Mausklick oder Fingertipp sind so weit mehr Daten abrufbar, als man per Gleisbegehung jemals ermitteln könnte, und das sicher, jederzeit und überall.

Der Name ist Programm

Nach dem Motto „Besser vorbeugen als heilen“ wird PredictiveTrackView in der Lage sein, Problemstellen im Gleis oder in der Umgebung frühzeitig zu erkennen. Doch nicht nur das. Aufbauend auf Messreihen, die in der Datenbank abgelegt werden, lassen sich Trends ableiten und die zukünftige Entwicklung von Problemstellen vorhersagen.

So liefern beispielsweise regelmäßige Messfahrten mit Georadar Erkenntnisse zum Zustand des Schotterbetts und spüren Probleme wie Schotterverschmutzung oder Schlammstellen auf. PredictiveTrackView verarbeitet diese Daten, beobachtet den zeitlichen Verlauf und zeigt frühzeitig auf, wo Handlungsbedarf besteht. Ergänzt mit aktuellen Daten aus weiteren Quellen wie Kameras oder LiDAR (Light Detection and Ranging), hat die Software ein wachsames Auge auf den gesamten Fahrweg und gibt dem Betreiber eine objektive Entscheidungsgrundlage für gezielte Instandhaltungsmaßnahmen.

PredictiveTrackView bringt nicht nur die Strecke sozusagen ins Büro, sondern revolutioniert das Instandhaltungs­management insgesamt.

Martin Bürger Leiter Emerging Technologies, Plasser & Theurer


Vorschau auf der AusRAIL präsentiert

Das Konzept einer BIM-Software für bahnspezifische Anwendungen wurde erstmals 2017 auf der iaf in Münster vorgestellt. Inzwischen hat sich einiges getan. Auf der AusRAIL im Februar 2022 in Sydney hat Plasser & Theurer ein Demovideo präsentiert, das am Beispiel von Georadardaten einige Funktionen von PredictiveTrackView zeigt. Mittels Cardboards wird das Smartphone zu einer VR-Brille. Damit begibt sich der Betrachter auf eine drei­dimensionale virtuelle Gleisbegehung. Es eröffnet sich eine vielschichtige Informationswelt, die dem Auge sonst verborgen bliebe.

Den dazugehörigen Teaser finden Sie online: www.plassertheurer.com/research

Unverzichtbar für effiziente Instandhaltung

Alle verfügbaren Informationen zum Fahrweg in einem System zu bündeln, ist unverzichtbar für eine effiziente Instandhaltung. Die Digitalisierung bietet enormes Einsparungspotenzial. Sie ermöglicht eine höhere Qualität und Lebensdauer des Fahrwegs bei gleichzeitig geringerem Einsatz von Zeit und Ressourcen. Die Entwicklung von PredictiveTrackView ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem BIM-System, das maßgeschneidert auf die speziellen Anforderungen im Bahnsektor eingeht.

Entwicklungspartner gesucht!

Um PredictiveTrackView so anwenderfreundlich und praxistauglich wie möglich zu machen, suchen wir Partner aus dem Bereich der Eisenbahninfrastruktur, die mit wertvollem Feedback mitgestalten und gemeinsam mit uns ein Werkzeug mit Mehrwert schaffen möchten.

Wollen Sie uns bei der Entwicklung begleiten? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme unter bim@plassertheurer.com.

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