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Mit einer für die Bahnbetreiber schmerzhaften Delle durch die Corona-Pandemie ist die Zahl der auf der Schiene beförderten Fahrgäste in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, ohne dass die Infrastruktur in gleichem Maße mitgewachsen wäre. Dies führt zu deutlich höheren Zugfrequenzen, höheren Tonnagen und kürzeren nächtlichen Betriebsunterbrechungen. Höherem Verschleiß stehen also kürzere Wartungsfenster gegenüber– ein Konflikt, der durch kontinuierliche und unterbrechungsfreie Infrastrukturdiagnose entschärft werden kann.

Stefan Damm
seit 1. März 2025 neuer CEO der DMA

Die Zukunft der auf Instandhaltung ausgerichteten Diagnostik liegt in Systemen, die in hoher Frequenz und ohne Betriebsunterbrechung an Bord von Regelzügen Messaufgaben durchführen. Auf dieser Basis wird die geplante oder zustandsorientierte Instandhaltung koordiniert, vom Güterzug mit niedriger Durchschnittsgeschwindigkeit bis zum Hochgeschwindigkeitszug.

Die Anfänge der Infrastrukturdiagnostik

Die Ursprünge der Vermessung und damit der Eisenbahn-Infrastrukturdiagnostik waren Spurmaß, Setzwaage und Libelle. Doch bereits 1880 gab es einen handgeschobenen Messapparat, mit dem Spurweite und Überhöhung mit Hilfe von in Federn beweglich geführten Rädern und einem Gestänge automatisch maßstabsgerecht auf Papier aufgezeichnet wurden.

In der Zwischenkriegszeit wurden komplexere und damit auch größere und schwerere Diagnosetechniken auf Zügen installiert, wie z. B. Röntgengeräte zur Durchleuchtung von Schweißungen in Deutschland oder erstmals Ultraschalltechnik auf „Detector Cars“ in den USA. Die Technik wurde weiterentwickelt und erlaubte immer höhere Geschwindigkeiten, zuletzt bis 60 oder 160 km/h, je nach angewandter Technologie. Arbeits- und Schlafplätze an Bord bieten die Möglichkeit, große Netzabschnitte im Wochenrhythmus zu inspizieren.

Stärker belastete Netze erfordern dichtere Überwachung

Die betrieblichen Auswirkungen der Inspektion mit Sonderfahrzeugen sind in jedem Fall erheblich. Trassen müssen gebucht und mit dem Bahnbetrieb koordiniert werden. Für komplexe Streckenabschnitte wie in Bahnhofsbereichen mit Weichenfeldern oder in Metropolregionen sind spezielle Sperrpausen erforderlich, um ganzheitliche Erfassung der Infrastruktur zu ermöglichen.

Die Anforderungen an die erhobenen Daten und die Überwachung steigen ständig. Immer stärker belastete Netze erfordern eine entsprechend engmaschigere Überwachung, nicht zuletzt bei Hochgeschwindigkeitsweichen, die mit mehr als 200 km/h befahren werden.

Nach Corona-bedingten Einbrüchen erreichen die Fahrgastzahlen und sukzessive auch der Güterverkehr auf der Schiene wieder das Vor-Pandemie-Niveau. Dies bedeutet, dass insbesondere in Ballungsräumen, aber auch im Fernverkehr die nächtlichen Betriebsunterbrechungen immer kürzer werden, da die Trassen außerhalb der Fernverkehrszeiten häufig auch für Gütertransporte genutzt werden. Ein Mitfließen des Inspektionszuges mit dem regulären Personen- oder Güterverkehr wird daher zunehmend nötig.

Neue Systeme zur Weicheninspektion

Einige Diagnosesysteme erfüllen bereits heute die Anforderungen an die Betriebsgeschwindigkeiten des Fahrplans. Daten über Tausende von Kilometern können ohne Personal an Bord aufgezeichnet und mit 5G-Technologie nahezu in Echtzeit an die Leitstellen übertragen werden. Durch unbemannte, aber häufiger wiederholte Datenaufzeichnung und deren Vergleich sind Verschleißprognosen möglich, die wichtige Grundlagen für vorausschauende und reaktive Instandhaltung von Fahrweg und Bahnstromversorgung liefern. Bei Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h und Diagnosefahrten mit bis zu 250 km/h kann der Einfluss von Messfahrten auf den Fahrbetrieb schon heute minimiert werden.

Die große Autonomie unbemannter Diagnosesysteme durch hohe Arbeitsgeschwindigkeiten, Ausfallsicherheit und Wartungsfreundlichkeit erlaubt verstärkt den Einsatz auf Regelzügen, um immer größere Datenmengen und kritische Datenpunkte auch für den Vergleich im Zeitablauf zur Verfügung zu stellen. Unattraktive Nachtarbeit und mehrtägige Schichten quer durch das Schienennetz sind im Normalfall nicht mehr notwendig. Dem ohnehin knapper werdenden Fachpersonal können attraktivere Arbeitszeiten und Arbeitsplätze geboten werden, wobei der Fokus auf Verwertung statt Erhebung von Infrastrukturdaten liegt.

Der Zuwachs der regulatorisch geforderten und mehr und mehr automatisiert bereitgestellten Informationen ist eine erhebliche Mehrbelastung bei Auswertung und Interpretation. Neuronale Netze unterstützen hier seit mehr als zehn Jahren die Auswerter bei Vorselektion und Reduzierung von falsch-positiven Prüfergebnissen, insbesondere in Bezug auf die Bewertung von Rissbildung im Inneren und an der Oberfläche von Schienen. Bei der Videoinspektion von Gleisen und Oberbau ebenso wie bei der Erkennung von Infrastrukturobjekten oder Vegetation spielt KI bereits eine relevante Rolle.

DMA-Systeme auf dem Y1 AIACE, dem ehemaligen Hochgeschwindigkeits-Diagnostikzug der italienischen Eisenbahn (RFI), der über Jahre in Betrieb war und Messungen bei 300 km/h durchführte. In Kürze wird der mit den DMA-Systemen ausgestattete neue Diagnostikzug AIACE 2.0 seinen Dienst aufnehmen. ©RFI


Vorausschauende Instandhaltung durch KI-gestützte Analytik

Bei Interpretation und Korrelation verschiedener Anomalien und Schadensbilder ist das Potenzial von KI und maschinellem Lernen bei der Weiterentwicklung der Systeme noch lange nicht ausgeschöpft. Die fortschreitende Entwicklung von Hardware, insbesondere die rasant steigende Leistungsfähigkeit von GPUs und spezialisierten KI-Chips, ermöglicht eine erhebliche Steigerung der Rechenleistung, wodurch KI-unterstützt komplexe Algorithmen schneller, effizienter und bereits an Bord des Zuges anwendbar werden. Daraus ergibt sich enormes Potenzial für die Dateninterpretation in Echtzeit, da KI-Modelle große Datenmengen, einschließlich der Inspektionshistorie, in Millisekunden analysieren können.

Dies ermöglicht es, in Echtzeit vor sich anbahnenden Schäden an der Infrastruktur zu warnen, Geschwindigkeiten zu reduzieren und damit die Sicherheit zu erhöhen. Die Aktualität der an Bord des Zuges automatisiert interpretierten Daten und die Hochrechnungen des Verschleißfortschritts in Echtzeit erleichtern eine tagesaktuelle Priorisierung von Wartungsmaßnahmen und damit eine Minimierung von Betriebsunterbrechungen durch Instandhaltungsrückstau.

DMA, eine Tochtergesellschaft der DRS AG und Teil der Plasser-Gruppe, ist spezialisiert auf innovative Diagnosetechnologien für den Eisenbahninfrastruktursektor. Mit dem Schwerpunkt auf Videoinspektionssystemen mit KI-gestützter Analytik und Weicheninspektionssystemen für die vorausschauende Instandhaltung unterstützt DMA Bahnbetreiber weltweit dabei, die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Leistung ihrer Netze zu verbessern. Weitere Informationen: www.dmatorino.it

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