Die Eisenbahninfrastruktur in Europa ist in einem fundamentalen Wandel: Mit der verbindlichen Einführung des Zugbeeinflussungssystems ETCS (European Train Control System) wird der Weg für einen einheitlichen und interoperablen Bahnverkehr geebnet. Das stellt sowohl Infrastrukturunternehmen als auch Fahrzeughersteller vor neue Herausforderungen.
ETCS ist ein zentraler Bestandteil des ERTMS (European Rail Traffic Management System) und soll die bisher über 20 verschiedenen nationalen Zugbeeinflussungssysteme ersetzen. Ziel ist es, eine einheitliche Schnittstelle zwischen Fahrweg und Fahrzeug zu schaffen, um die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu erhöhen, Streckenkapazitäten und -geschwindigkeiten zu steigern und gleichzeitig Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb der ortsfesten Anlagen zu reduzieren.
Mit der Veröffentlichung der neuen Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI 2023) wird die Implementierung von ETCS in der Europäischen Union verbindlich. Für Bahnbaumaschinen, bei denen der Zulassungsprozess* nach dem 1. Januar 2026 startet, ist die Ausrüstung mit ETCS verpflichtend.
Davon betroffen sind
Da Zugbeeinflussungsanlagen das Rückgrat der Personensicherheit der gesamten Infrastruktur bilden, sind hier höchste Sicherheitsanforderungen und eine äußerst akribische Nachweisführung notwendig.
Ein komplexes Thema für alle Beteiligten
Sonderfahrzeuge, unter die auch Bahnbaumaschinen und Messfahrzeuge fallen, sind im Vergleich zu Lokomotiven oder Fahrzeugen für den Personenverkehr hochgradig individualisiert. Sie werden in kleinen Stückzahlen gefertigt und ihre Anforderungen unterscheiden sich je nach Einsatzland erheblich. Darüber hinaus hängt die konkrete Ausführung von ETCS auf dem Fahrzeug von vielen weiteren Faktoren ab, unter anderem von Type, Länge und Gewicht der Maschine, dem nationalen Zugsicherungssystem, der Einbausituation auf der Maschine, der Bremskonfiguration etc. Die Integration von ETCS auf Bahnbaumaschinen ist daher bedeutend mehr als eine technische Herausforderung, sondern vor allem auch ein wirtschaftlicher Faktor.
Die Einführung von ETCS wirkt sich in der Bahnbaubranche besonders stark aus. Im Gegensatz zum Personen- und Güterverkehr, wo die anfallenden Kosten auf viele identische Fahrzeuge verteilt werden können, ist dies im Bahnbau aufgrund der hochgradigen Individualisierung nicht möglich. Enge Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner und Definition von Länderpaketen erlauben uns eine kosteneffektive Lösung. So können sich Bahnbauunternehmen voll auf ihre Kernaufgabe konzentrieren.
Herausforderung angenommen: Innovation trifft Zuverlässigkeit
Plasser & Theurer hat über zehn Jahre Erfahrung in der Umsetzung von ETCS auf Bahnbaumaschinen. Bereits mehr als 30 Maschinen wurden von uns in Europa mit Systemen aller gängigen Lieferanten ausgestattet. Gemeinsam mit dem ETCS-Hersteller Siemens Mobility wurde jetzt eine Plattformlösung entwickelt, die den spezifischen Anforderungen im Bahnbau entspricht und eine wirtschaftliche Integration für unsere Kunden ermöglicht.
Das Herzstück dieser Lösung sind klar definierte Länderpakete, die dazu beitragen, die Gesamtkosten des Systems zu senken und gleichzeitig den Einsatzradius der Maschinen zu erhöhen. Nach der Installation der modernsten ETCS-Systemversion (SV 2.1) können alle zu diesem Zeitpunkt freigegebenen ETCS-Strecken befahren werden. Dadurch gewährleisten wir neben der Zukunftssicherheit auch eine maximale Lebensdauer der Maschinen.
Die enge Zusammenarbeit mit Siemens Mobility garantiert zudem die langfristige Verfügbarkeit von Hardware für Neumaschinen sowie von Ersatzteilen. Die Plasser & Theurer-Plattformlösung erfüllt die Vorgaben der TSI 2023 und ermöglicht es unseren Kunden, an künftigen Ausschreibungen erfolgreich teilzunehmen.
Kostenvorteile durch ETCS-Einbau auf Neumaschinen
Der Einbau von ETCS auf Neumaschinen bietet signifikante Kostenvorteile im Vergleich zu einer späteren Nachrüstung. Während bei Neumaschinen der notwendige Platz geplant und der Einbau effizient in den Produktions- und Zulassungsprozess integriert werden kann, verursacht die nachträgliche Umsetzung auf einer Bestandsmaschine deutlich höhere Kosten durch den aufwendigeren Einbau sowie die komplexen Anforderungen der Neuzulassung. Hinzu kommt die für Einbau und Zulassung nötige lange Außerbetriebsetzung der Maschine.
*Start der Design-Phase laut TSI 2023